Homöopathie und Psychoanalyse

Die homöopathische Behandlungsweise beruht auf dem Prinzip des „Similia Similibus curentur" (Ähnliches werde durch Ähnliches geheilt). Fieber, Entzündung, Rötung etc. „ähneln" einer Vergiftung mit phosphorisiertem Eisen, daher kann eine derartige krankheitsbedingte Entzündung  z. B. durch „Ferrum phosphoricum D4" behandelt werden. Der Streit zwischen Befürwortern und Gegnern der Homöopathie entwickelt sich meist an diesem Begriff des „Ähnlichen" und der „Ähnlichkeit". Denn selbstverständlich ist dies ein weit gefasster Begriff. Ist etwas der Form, dem Wesen, der materiellen Art, der geistigen Struktur etc. ähnlich oder wo liegt genau das Ähnlichkeitsprinzip verborgen?

Von Seiten der Psychoanalyse ist dies nicht so schwer zu verstehen. Es liegt im Wesen der Identifizierung, einer psycho-physischen Identität oder noch besser einer Identität im Signifikanten (also da, wo es Bedeutung, Wesenhaftigkeit, Zutreffendheit bekommt). Doch das genügt den Homöopathen nicht. Denn sie wollen ja Tropflösungen und Tabletten herstellen, die der Kranke einnehmen kann. Wenn die Tabletten (Globuli) auch kein phosphorisiertes Eisen mehr enthalten, weil durch Titrieren (Verdünnen) und Schütteln alles entfernt wurde, ist eine naturwissenschaftliche Erklärung für die Homöopathie nicht mehr zu geben. Schon Hahnemann, der Begründer der Homöopathie hat sich daher auf „Geistiges" berufen. Besser hätte er vom Signifikanten gesprochen.

In der Psychoanalyse wird Signifikantes dadurch hervorgebracht, weil Analytiker und Patient ins sehr offener, enthüllender Weise miteinander sprechen, Träume deuten, Erfahrungen erinnern und weiteres mehr. Der Signifikant liegt mehr auf der Seite des Sprachlichen, der symbolischen Ordnung und nicht einer geistigen oder materiellen Ordnung. Dadurch kann man sich sicher sehr weit dem Wesen und Wesentlichen des Signifikanten nähern. Aber ob man ihn ganz trifft, möchte ich vorerst offen lassen. Die Homöopathen treffen ihn jedenfalls mehr durch eine „gestaltistische", form- und bildbezogene (das klinische Bild, das Symptombild betreffende) Weise. Diese bild-, formbezogene Weise, die ja im Begriff der Ähnlichkeit ausgedrückt wird, wird nun mehr oder weniger etwas ritualisiert, operationalisiert. Gewiss tun wir so etwas auch in der Chirurgie, wenn wir z. B. einen Tumor einfach wegschneiden, ohne seine wirkliche Entstehungsursache zu bekämpfen und so in der Gefahr verbleiben, dass die Tumorkrankheit an anderer Stelle wiederkommt. Dennoch haben Homöopathie und Chirurgie ganz gewiss ihren Stellenwert, wenn sie diese Operationalisierung möglichst gering halten.

Aber es könnte natürlich Verfahren geben, die von vornherein auf  Ritualisierung und Ähnlichkeitsbegriff verzichten wie z. B. die Analytische Psychokatharsis. In dieser Methode wird vor allem auf Wortklang-Bilder zurückgegriffen, die sich immer und überall ereignen. Da ist also auf der einen Seite der Wortklang, etwas Akustisches, Linguistisches, Dialektologisches. Ich verstehe unter Dialektologischem nicht nur die reine Dialektforschung (Dialektologie), sondern auch eine Bezugnahme zum Begriff Dialektik. „Du nennst doch den Dialektiker, der von jeglichem den Begriff seines Wesens fasst (ton logon hekastou lambanonta tês ousias) ," heißt es in Platons Politeia ( 534 b 3-4). Nicht nur der Dialektsprecher hat das Gefühl mit seinen direkteren Wortklang-Bildern das Wesen eines Jeglichen besser zu fassen, auch der Philosoph meint dies zu tun. Auch der Physiker, denn auch er findet den Begriff des Wesens eines Jeglichen durch Experimente (also auch durch Oprationalisierung) und fasst es so. Auf der anderen Seite gibt es auch etwas Bildhaftes.

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In dem rein Dialektologischen der Analytischen Psychokatharsis glaube ich in direkten, in sich selbst verfassten und verknoteten Wortklang-Bildern gefunden zu haben, um was er hier geht. Es gibt in jeder Sprache, aber am praktischsten im Sanskrit, im Lateinischen, Altgriechischen und vielleicht in vielen anderen Sprachen auch noch solche Wortklang-Gebilde, die eben das Worthafte mit dem Bildhaften eng verbinden. Man hat in Lyrik und Dichtung immer schon mit dem Wortklang und dem damit zusätzlich vermittelten Bild versucht, die Wahrheit oder das Wesentliche auszudrücken. Ich versuche es nur eben auf wissenschaftliche Weise und das muss Wortklang und Bild in einer noch zusätzlichen Dynamik oder Ordnung oder Struktur zusammengefasst werden. Man kann Geometrie (Topologie) verwenden oder mathematisierte Kunst oder Bildwissenschaft oder eben Dialektologisches. Das oben dargestellte Bild soll speziell darüber Auskunft geben.

In diesem Bild findet sich in der Mitte eines meiner sogenannten Formel-Worte. Sie sind der lateinischen Sprache entnommen und haben eine dem Unbewussten ganz analoge - topologische-linguistische - Struktur. ENS - CIS - NOM im Kreis geschrieben hat verschiedene Bedeutungen abhängig davon, von welchen Buchstaben ausgehend man es liest (Genaueres ist unter www.forum-ens-cis-nom.com zu finden). Hier geht es nur darum, zu zeigen, dass in einem derartigen Vorgehen mehr „similia similibus curentur" enthalten ist, denn hier wird sogar strukturell Gleiches mit strukturell Gleichem behandelt, wenn man das Ganze (diese Methode der Analytischen Psychokatharsis mit den Formel-Worten) selbst in einer Art Meditation übt. Das Wortklang- Bild wird - wenn man es rein gedanklich in sich wiederholt - in das gleiche Wortklanglich-Bildhafte des Unbewussten sich ein-schütteln, ein-titrieren und so einen noch präziseren Heileffekt haben als die herkömmliche Homöopathie. Das Wortklang-Bild enthält eben beides, sowohl das Ausgangsmaterial wie es die Ferrum-phosphoricum-Vergiftung darstellt, aber auch die durch die Symptome dargestellte Gleichheit (und nicht mehr nur Ähnlichkeit). Denn das Unbewusste ist aus genau den gleichen Wortklang-Verschiebungen und -Verdichtungen gemacht, wie das Formel-Wort. Es ist ihm vollkommen homolog und nicht nur ein Simile davon.

Nach Freud sind zwei Bewegungen im Unbewussten besonders vorherrschend: die Verdichtung (z. B. mehrere Intentionen werden zu einer verdichtet, Metapher) und die Verschiebung (eine Intention wird auf eine andere verschoben, Metonymie). Exakt dies findet auch im Formel-Wort statt. Statt Globuli und Tropfen verinnerlicht man durch mentales wiederholen die Wortklang-Bilder solange, bis das Unbewusste durch das Zusammentreffen in der Homologie etwas Drittes, ebenso Homologes herausgeben muss. Darin liegt die Heilung. Auch bei der Homöopathie findet die Heilung nicht im mechanisch-materiellen statt, sondern im - wie manche behaupten - Informativen. Aber auch dieser Begriff ist ungenau. Die Heilung muss im Signifikanten liegen, also dort, wo Lacan formuliert, dass ein Signifikant Subjekt ist für einen anderen Signifikanten. Genau so wird man in der Analytischen Psychokatharsis  zum wirklichen und wahren Subjekt dadurch, dass man sich zwischen zwei Signifikanten titriert, verschüttelt, ver-übt, ver-meditiert (ich drücke mich absichtlich so aus, weil man zwischen dem Wortklang und dem Bild tatsächlich etwas hin- und hergerissen wird, bis die Meditation, die Übung mit den Formel-Worten stabil wird und damit ihr Ziel erreicht).