Typologie und Hypersphäre

In meinen Büchern habe ich oft die zentralen Elemente aus der Psychoanalyse Lacans, nämlich den Primärvorgang des Schautriebs als ein Es Strahlt und des Sprechtriebs als ein Es Spricht bezeichnet. Vielschichtige Bilder zeigen das eine und sich überlappende Buchstaben das andere dieser beiden Begriffe. Man kann diese Überlappung, die in der Psychoanalyse generell (wegen der Betonung des Worthaften) eine große Rolle spielt, am besten an der Geschichte eines Mannes studieren, die Heinrich Heine erzählte. Dieser Mann wollte nämlich mit seiner Bekanntschaft des reichen Baron Rothschilds prahlen. Er wollte sagen, dass er mit ihm wie „familiär“ verbunden sei, sagte aber: „ich bin mit ihm so „famillionär“. Die Wahrheit also,

dass es doch die Millionen sind, die ihn faszinierten, rutschte ihm so aus dem Unbewussten heraus. Und genauso wie im „famillionär“ durch Überlappung der Buchstaben eine Mehrfachbedeutung steckt, nämlich die des Familiären und der Millionen (und somit die Unverblümtheit einer Habgier), so auch in diesem  Formel-Wort von ENS – CIS – NOM, das jedoch mehrere sinngebende Bedeutung in der Weise enthält, dass man sich auf keine festlegen kann. Vielmehr liegen ihm eben drei oder mehr bild- und wortbezogene Bedeutungen zu Grunde, die völlig disparat und unzusammenhängend sind.

fa   mil    i        är      Hier ist die Vielschichtigkeit dreier Bedeu-                       Formel-Wort
      mil  l i  on  är       tungen entsprechend ihrer klangbildli-
fa   mil  l i  on  är       chen Struktur untereinandergeschrieben                         ENSCISNOM

Die Abbildung links zeigt die bildliche und worthafte Überlappungen der drei verschiedenen Bedeutungen von H. Heines Geschichte. In dem auf der Seite rechts abgebildeten und kreis-förmig geschriebenen Formel-Wort kommen – gerade wegen der bildhaft angeordneten Buchstaben – Bildhaftes, Imaginäres, gleichzeitig aber auch Worthaftes, Symbolisches viel stärker zum Ausdruck, vor allem, wenn man weiß, dass hinter den meisten Buchstaben Schnittstellen liegen, von denen aus gelesen verschiedene Bedeutungen herauskommen, wie es für das von mir entwickelte Verfahren der Analytischen Psychokatharsis typisch ist (ich führe dies hier nicht weiter aus). Aber auch das Bild soll diese Überlappung schon andeuten, die noch besser in der Form herauskommt, in der das Formel-Wort wie unten zu sehen in einen mehrdimensionalen Raum (Hopf-Fibration bzw. Calabi-Yau-Raum, Darstellungen des hypersphärischen Raums) geschrieben ist.


Im Grunde genommen sind die Dimensionen nicht unbedingt als über die Dreidimen-sionalität hinausgehend zu verstehen. Könnte man das Universum völlig durchqueren, würde man erkennen, dass man – obwohl stets in Dreidimensionalität eingehüllt – durch die ständigen Veränderungen mittels Quantenmechanik und Gravitation nur scheinbar gradlinig vorwärts käme, sondern letztlich wieder zurückgeführt würde. Die Anhaltspunkte, die dieser extremen Dynamik des Imaginären eine Ordnung geben könnte, müssen irgendwie einen Bezug zum Symbolischen haben, das jedoch nicht übliche, verbale Sprache ist, sondern nur wie Lacan sagt „ultrareduzierte Phrase“, zusammengeballte Silbe, Ruf, Laut, Phonem oder irgendetwas Ähnliches. Hier in der Abbildung sind es Buchstaben, deren Zusammenhang nicht ganz sichtbar ist, und selbst wenn sie wie in der Abbildung oben im Kreis geschrieben sind, sind sie so mehrdeutig, dass sie nicht ganz Bestimmtes sagen.

Diese ineinander geschachtelten Buchstabenebenen werden also noch anschaulicher dargestellt, indem sie in diese ineinander geschachtelten Räume eingebettet sind. Vorerst soll genügen, dass das bildhaft Imaginäre und das worthaft Symbolische in dem Verfahren der Analytischen Psychokatharsis umgekehrt wie bei dem Versprecher im obigen Beispiel von H. Heine benutzt werden, nämlich konstruktiv, progressiv. Indem das Formel-Wort nur eine Formulierung bildet, obwohl ein Mehrfaches an Bedeutungen in dieser Formulierung, in diesem Wort-Zug des Formel-Wortes steckt, weckt es das Unbewusste. Es verhält sich rein strukturell also genauso wie in dem oben genannten Beispiel, in dem man familiär, Millionär oder eben „familiär mit den Millionen“ heraushören kann, nur dass diesmal das Unbewusste selbst die Deutung ausspucken muss.

So lässt sich nämlich bereits sehen, was in dem Verfahren der Analytischen Psychokatharsis im Grunde genommen  geschieht: man meditiert rein gedanklich mehrerer dieser überlappenden Formel-Worte, die im Unbewussten auf einen vielschichtigen Raum treffen, der typologisch ist, also etwas Schriftartiges an sich hat. Schiebt man nämlich wie es in einer Meditation üblich ist die allgemeinen Gedanken zur Seite und wiederholt gedanklich nur die einen direkten Sinn ja verweigernden Formel-Worte, so wird man mehr und mehr einer Raumerfahrung gewiss, die ausdehnend und zusammenziehend, erhellend und wieder verdunkelnd, kurz: vielschichtig und nicht ganz unbewegt ist. Man kann diese Erfahrung die eines Überraumes, eine hypersphärischen Raumes nennen, wie es auch schon von einigen Meditationsmethoden oder Yogaanwendungen, ja auch von Mystikern so genannt wurde. Wenn ich oben von der Hopf-Fibration oder dem Calabi-Yau-Raum gesprochen habe, so handelt es sich hierbei um passende Analogien aus der Physik oder der Topologie (auch Gummigeometrie genannt). Damit ergibt sich eine Möglichkeit das uralte Problem, wie die Verbindung von Geist und Materie, von Psyche und Gehirn, und eben auch von Bild und Sprache aussieht, zu lösen.


Physikalische Theorien sind in zu weite Spekulationen geraten und die Psychoanalyse kommt in der Praxis auch nicht tief genug, um zu dieser Lösung etwas beitragen zu können. Esoterische Phantasien und mythische Wissenschaften taugen noch weniger dazu. Doch der typographische Überraum kann hierzu etwas vermitteln. Er verbindet die Buchstaben mit der Geometrie in einer Weise, wie sie nicht nur als blande Aussage, als Statement,

als philosophische, parapsychische oder sonstige Beschreibung dasteht, sondern wie sie durch Hereinnahme des Subjekts, durch Mitarbeitet jedes Einzelnen – und nur dadurch – verwirklicht werden kann. Denn der Einzelne muss sich einer aus Psychoanalyse und Meditation entwickeltem, und eben in typographisch überräumlichen Verhältnissen dargebotenen Methode selbst um die letztliche Wahrheit und das ihr dienende Wissen kümmern.
Bei der Meditation wird er nämlich nicht nur mit den räumlichen Besonderheiten konfrontiert sein (imaginär, bildhaft, topologisch), sondern auch mit der Sprache (symbolisch, worthaft, typographisch). Provoziert er mit den rein gedanklich meditierten Formel-Worten diesen unbewussten hyperspärischen Raum, wird dieser ebensolche Pass-Worte oder wie Lacan sagt ‚ultrareduzierte Phrasen‘, wahrnehmbare, hörbare, erfahrbare unbewusst gewesene Gedanken herausgeben. Die auf ein topologisches Band (Möbiusband rechts) bzw. Boysche Fläche (links) geschriebenen Buchstaben zeigen dies erneut.


In diesem Raum wird also nicht nur gesehen, sondern auch gesprochen, was nicht nur die genannten theoretischen Probleme zu lösen verspricht, sondern auch eigene, seelische, psychosomatische Probleme zu heilen vermag. Dazu sind ausführlichere Schilderungen nötig, wie sie auf dieser Webseite gegeben sind und die ich hier nicht wiederholen will.